Realschule Vaterstetten im Dialog: Wenn jugendliche Welten auf rechte Ideologien treffen

Am 3. Juni 2025 befasste sich eine gemeinsame Veranstaltung der Realschule Vaterstetten und ihres Fördervereins mit einem zunehmend brisanten Thema: dem Abrutschen Jugendlicher in rechtsextreme Kreise.
Realschule Vaterstetten im Dialog: Wenn jugendliche Welten auf rechte Ideologien treffen

Im Rahmen der „EXIT“-Initiative berichtete Felix Benneckenstein, ein Aussteiger aus der rechtsextremen Szene, eindringlich von seinen Erfahrungen und stellte sich den Fragen der Schülerinnen und Schüler.

In einer zweistündigen Gesprächsrunde in der Mensa der Realschule stand Benneckenstein, der seit seinem Ausstieg 2011 bundesweit als Referent und Mitarbeiter der Aussteigerorganisation „EXIT-Deutschland“ tätig ist und sich der Prävention und Aufklärung verschrieben hat, Schüler der 8. und 9. Klassen Rede und Antwort. Im Anschluss daran hatte Grasbrunn Aktuell gemeinsam mit anderen Pressevertretern die Gelegenheit, mit Felix Benneckenstein und einigen Schülerinnen und Schülern zu sprechen.

Felix Benneckenstein im Gespräch mit Schülern der Realschule Vaterstetten.

Die befragten Schülerinnen und Schüler zeigten sich reflektiert und gaben Einblicke in ihre Lebenswelt. Während einige berichteten, dass fremdenfeindliche „Späße“ in der Klasse vorkommen, sei dies noch kein „richtiges Thema“, da die Inhalte des Zweiten Weltkriegs und der NS-Zeit im Geschichtsunterricht erst in der 9. Klasse intensiver behandelt werden. Eine Schülerin erzählte jedoch, dass in Chats Hitler-Bilder und auf Tischen in der Parallelklasse bereits rechtsextreme Symbole aufgetaucht seien, woraufhin die Klassenleitung reagiert habe.

Auf die Frage, wie sie mit solchen Äußerungen umgehen, gaben die Jugendlichen an, ihre Meinung zu äußern und bei Bedarf die Klassenleitung oder den Rektor zu informieren. Oft sei es jedoch die „beste Lösung“, solche Bemerkungen zu ignorieren, auch wenn es schade sei. Dies zeugt von einer gewissen Hilflosigkeit im Umgang mit Provokationen.

Interessanterweise wurde deutlich, dass rechtsextreme Tendenzen und frauenfeindliche Kommentare in der Klasse vor allem von Jungen ausgehen. Politische Themen, insbesondere Migration, werden unter den Jugendlichen viel diskutiert, auch wenn die Lehrer diese Diskussionen nicht aktiv im Unterricht führen. Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich kritisch gegenüber widersprüchlichen Aussagen von Parteiführungen wie Alice Weidel (AfD) und deren Positionen.

Die große Rolle der sozialen Medien, hauptsächlich TikTok, wurde von den Jugendlichen als Hauptquelle für die Verbreitung solcher Inhalte genannt. Sie äußerten Bedenken, dass jüngere Kinder, die noch nicht in der Lage sind, Informationen zu differenzieren, leicht beeinflusst werden könnten. Parteien würden ihren Content bewusst auf TikTok und anderen Plattformen so gestalten, dass er für Jugendliche interessant wirkt und sie in eine bestimmte politische Richtung lenkt.

Felix Benneckenstein bestätigte die Beobachtungen der Schülerinnen und Schüler. Er berichtete, dass sich das Einstiegsalter in die Szene drastisch gesenkt habe. Während vor einigen Jahren ein 17-Jähriger, der sich zum Aussteigen meldete, ein „absoluter Sonderfall“ war, melden sich heute bereits 14- und 15-Jährige bei „Exit“. Dies hat dazu geführt, dass er nun auch vor 8. Klassen spricht, was früher als „zu früh“ für das Thema galt.

Benneckenstein betonte, dass die Jugendlichen heute viel genauer wüssten, was rechte Politik bedeute, als noch vor zehn Jahren. Die Inhalte seien präsenter und die Rechten agierten offener. Während er zu seiner Zeit noch aufgefordert wurde, das „Ausländer-Thema“ am Infostand zu meiden, wüssten Neonazis heute, dass sie genau dort ansetzen müssten. Die klassische Neonazi-Szene rekrutiere nach wie vor erfolgreich, da sie sich nicht mehr verstecken müsse.

Die rechte Szene greife aktuelle Probleme wie die Wohnraumknappheit auf und propagiere Lösungen wie die „Remigration“, die in letzter Konsequenz die Abschiebung von Hunderttausenden Menschen bedeuten würde, um beispielsweise in München Wohnungen freizubekommen. Was früher nur von „absolut versprengtesten Neonazisten“ zu hören war, sei heute „rechts der Mitte Sprech“ und werde von der AfD instrumentalisiert. Benneckenstein zeigte sich entsetzt darüber, wie „normal“ diese politischen Einstellungen geworden sind.

Sein eigenes Engagement resultiert auch aus Wut über die eigene Vergangenheit und dem Wunsch, eine bessere Zukunft für Jugendliche zu schaffen. Er möchte durch Aufklärung dazu beitragen, dass andere nicht denselben Weg gehen. Obwohl er selbst immer wieder mal Bedrohungen ausgesetzt ist und seine Organisation „Exit“ mit finanziellen Kürzungen zu kämpfen hat, bleibt Benneckenstein überzeugt von der Dringlichkeit seiner Arbeit. Die Tatsache, dass Schüler bei seinen Vorträgen nicht anwesend sind, die eigentlich erreicht werden müssten, ist für ihn besonders bedauerlich.

Das Gespräch verdeutlicht, dass das Thema Rechtsextremismus in den um liegenden Schulen hochrelevant ist. Die Realschule Vaterstetten und ihr Förderverein leisten mit solchen Veranstaltungen einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung und Prävention und stärkt die Medienkompetenz der jungen Generation im Umgang mit digitalen Inhalten.

Weitere Informationen zur Unterstützung und Förderung von Bildungsprojekten an der Realschule Vaterstetten finden Sie auf der Webseite des Förderverein der Realschule Vaterstetten e.V. Der Vorstand steht zudem per E-Mail oder telefonisch unter 0174-3275179 für Anfragen und Anregungen zur Verfügung.

Diese Veranstaltung wurde auch durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ sowie die „Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Ebersberg“ gefördert.

Weitere Links:

Beitragsfoto: Schülerinnen der Realschule Vaterstetten mit Sebastian Brunner, Förderverein der Realschule Vaterstetten e.V. (4. von Links) , Felix Benneckenstein (Aussteigerhilfe Bayern /Exit (Mitte) und Realschul-Direktor Stefan Gasior (rechts).

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