Heidi Anetzberger-Wiesner aus Neukeferloh in der Gemeinde Grasbrunn ist zertifizierte Stillbegleiterin DAIS und Sozialpädagogin und unterstützt Familien auf diesem Weg.
Mit ihrer umfangreichen Erfahrung und ihrem Fachwissen hilft sie Schwangeren und Müttern, die Herausforderungen des Stillens zu bewältigen. Sie kombiniert persönliche Stillerfahrungen mit evidenzbasiertem Wissen, um individuelle Beratung und praktische Tipps zu bieten. Neben ihrer Stillberatung leitet sie auch Kurse zur Bewegungs- und Persönlichkeitsentwicklung für Kinder sowie Angebote für Frauen in verschiedenen Lebensphasen.
Im folgenden Interview teilt Heidi ihre Ansichten zu häufigen Stillproblemen und bietet wertvolle Ratschläge für einen erfolgreichen Start ins Leben mit dem Baby.
Grasbrunn Aktuell:
Hallo Heidi, wie bist Du eigentlich zur Stillberatung gekommen, und was hat Dich dazu motiviert, diesen Weg einzuschlagen?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Ich bin Sozialpädagogin und habe mich schon während meines Studiums für die Bedürfnisse von Frauen in der Schwangerschaft und darüber hinaus interessiert. Ich wollte eigentlich noch ein Hebammenstudium draufsetzen, aber dann haben wir uns für die eigene Familienplanung entschieden. Mittlerweile haben wir vier Kinder und jede Stillbeziehung hatte ihre Herausforderungen. Ich hatte Glück, dass ich ein stillfreundliches familiäres Umfeld habe und meine Hebammen mich immer gut beraten haben. Aber mir war damals schon klar, dass dieses Glück nicht alle Frauen haben.
Grasbrunn Aktuell:
Welche Art von Schwierigkeiten beim Stillen begegnet Dir am häufigsten?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Stillen ist ein sensibles Zusammenspiel von Mutter und Kind und, nicht zu vergessen, dem sozialen Umfeld. Die meisten Anfragen kommen, weil die Mütter einfach alles richtig machen wollen und verunsichert sind, wenn das Kind unzufrieden ist oder ihre Hebamme mit der Gewichtszunahme nicht zufrieden ist. Hier kommt immer die Frage nach der optimalen Milchmenge auf. Die Frage nach dem Zufüttern folgt dann prompt. Auch Hilfe bei Schmerzen in der Brust oder verschiedene Stilltechniken werden oft nachgefragt.
Grasbrunn Aktuell:
Kannst Du etwas mehr über die Stillvorbereitung während der Schwangerschaft erzählen? Warum ist diese so wichtig und welche Vorteile bietet sie?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Stillen ist zwar ein natürlicher Vorgang, den Mutter und Kind jedoch erlernen müssen. Es ist ein trauriges Ammenmärchen, dass wir Frauen das einfach so können sollen. Stillen ist kein Hokuspokus, dahinter steckt eine medizinische Wissenschaft, an die ich mich auch halte. Wenn wir den physiologischen Vorgang beim Stillen verstehen, hilft es uns, Situationen besser einschätzen zu können, nicht hilflos zu sein und die richtigen Fragen in der Klinik zu stellen. Wir Frauen wollen doch gut informiert sein! Auch sollte grundsätzlich geklärt werden, ob Stillen oder Flasche geben, für die Familie infrage kommt. Ganz praktisch ist es zudem, Stillpositionen auszuprobieren und für besondere Situationen gerüstet zu sein, sei es bei gesundheitlichen Besonderheiten der Mutter oder des Kindes.
Grasbrunn Aktuell:
Du bietest auch Aromatherapie und Homöopathie an. Wie können diese Methoden die Stillzeit und das Wochenbett unterstützen?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Mir ist es wichtig, dass sich jede Frau im Wochenbett wohl in ihrer Haut fühlt. Der Körper muss heilen und Höchstleistungen vollbringen. Das Mutterwerden ist gewaltig, das darf man nicht unterschätzen. Wenn die Gefühle Achterbahn fahren und ein kleiner Mensch versorgt werden muss, bleibt nicht viel Zeit für sich selbst. Aromatherapie begleitet die Gefühle der ganzen Familie. Für Väter ist es sehr schön, wenn sie ihre Frau mit einer Massage unterstützen können und sich selbst auch ein wenig dabei ausruhen. Homöopathie wirkt sanft und hat die Milch in vielen Fällen schon fließen lassen. Die Wundheilung wird gefördert, und auch ein unruhiges Kind kann von den kleinen Kügelchen profitieren.
Grasbrunn Aktuell:
Welche praktischen Tipps hast Du für Mütter, die Probleme mit der Milchmenge haben oder unter Brustentzündungen leiden?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Zu viel oder zu wenig, es passt irgendwie nie, weil wir uns von der Formula-Industrie beeinflussen lassen, die auf ihren Packungen genaue Trinkmengen dem Alter des Kindes entsprechend angibt. Das ist völliger Quatsch! Es gibt einen natürlichen Bedarf für jedes Kind, den ich individuell errechne. Stillen nach Bedarf regelt die Milchmenge eigentlich immer. Ob tatsächlich zugefüttert werden muss, lässt sich pauschal nicht sagen, da jede Mutter unterschiedliche Bedürfnisse hat.
Wenn Stillen nach Bedarf nicht gewährleistet wird, kann die Brust schon mal mit einer Entzündung reagieren. Möglichst frühzeitig eine Beratung in Anspruch zu nehmen, kann einen Krankenhausaufenthalt unnötig machen. Abstillen ist nicht nötig.
Grasbrunn Aktuell:
Wie unterstützt Du Mütter nach einem Kaiserschnitt dabei, das Stillen erfolgreich zu beginnen?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Das Wort „Kaiserschnitt“ verwende ich in meinem Wortschatz nicht. Ich möchte jede Geburt wertschätzen, deshalb spreche ich von einer Bauchgeburt oder vaginalen Geburt. Wenn eine Bauchgeburt geplant ist, kann sich jede Frau während der Schwangerschaft auf den Stillstart vorbereiten und z.B. Kolostrum sammeln. Ich leite die Frauen dazu an und stelle das Equipment zur Verfügung. Das sollte aber nur unter fachkundiger Anleitung geschehen. Viele Frauen wissen nicht, dass die Brust schon in der Schwangerschaft Neugeborenenmilch produziert. Ein sofortiges Stillen ist oft nicht möglich, hier kann der Papa aber das erste Füttern übernehmen. Die Stillposition mit Bauchnarbe ist natürlich eine Herausforderung, aber es gibt Möglichkeiten.
Grasbrunn Aktuell:
Was rätst Du Eltern, die sich für das Füttern mit der Flasche entschieden haben, um dennoch eine enge Bindung zum Baby aufzubauen?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Wenn die Entscheidung für die Flasche gefallen ist, sollten einige Dinge berücksichtigt werden, wie die Wahl des Pulvers und des richtigen Saugers. In einem Stillvorbereitungskurs erfährt man, was alles wichtig ist, damit das Baby bedürfnisorientiert versorgt wird.
Grasbrunn Aktuell:
Du bietest verschiedene Kurse an, wie z.B. Ma*me Time Bellyfit. Was unterscheidet diesen Kurs von anderen Schwangerschafts-Fitnessprogrammen?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Sich im Körper wohlzufühlen ist ganz wichtig, unabhängig davon, wie groß der Bauch ist. Aktive Mütter profitieren während der Schwangerschaft, bei der Geburt und mit einem Neugeborenen sehr von der körperlichen Fitness. Wir trainieren den ganzen Körper sanft, kommen aber auch ins Schwitzen. Mobilität und Ausdauer werden gefördert – ein Rundum-Programm, das jede Schwangere bis zur Geburt mitmachen kann. Stillfragen können auch beantwortet werden, dazu finden wir sicher nach dem Kurs noch Zeit. Und was auch wichtig ist: Die Frauen können sich hier in der Gemeinde Grasbrunn vernetzen.
Grasbrunn Aktuell:
In Deinen Stillvorbereitungs-Workshops sprichst Du darüber, dass nicht alle Neugeborenen die gleichen Bedürfnisse haben. Kannst Du darauf näher eingehen?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Im Stillvorbereitungskurs gehe ich genauer auf den Nahrungsbedarf der Neugeborenen ein. Wenn wir verstehen, wie groß der Magen eines Neugeborenen ist, können wir die ersten Tage, bis die Milchbildung in Gang kommt, beruhigter angehen. Wer sich gegen das Stillen entscheidet, kann die Milchmenge ebenfalls richtig dosieren. Wir haben hier in Deutschland das große Glück, auf sichere Formula-Pulver zurückgreifen zu können. Aber leider werden wir von der Industrie so sehr beeinflusst, dass das Stillen untergraben wird. Und wer Formula für den Notfall zu Hause hat, wird sie auch einsetzen, obwohl das in den meisten Fällen nicht notwendig wäre.
Grasbrunn Aktuell:
Im Beikost-Workshop geht es auch um unterschiedliche Ernährungsweisen, wie vegetarisch oder vegan. Welche besonderen Herausforderungen gibt es dabei?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Der gute alte Breifahrplan ist längst überholt – und das zurecht! Er ist starr, beachtet die individuellen Neigungen der Kinder nicht und ist kulinarisch langweilig. Essen soll doch genüsslich, ohne Druck und doch optimal versorgt erlebt werden. Familien entscheiden sich gegen Brei, für vegetarisch, vegan usw. – das ist alles toll. Es gibt nur wenige Lebensmittel, die für das Beikostalter ungeeignet sind. Wir sollten den Nährstoffbedarf der Kinder kennen, um keine Mangelernährung herbeizuführen. Das ist eigentlich ganz einfach, wenn man ein paar Dinge beachtet.
Grasbrunn Aktuell:
In Deutschland ist die Stillberatung keine reguläre Krankenkassenleistung. Welche Auswirkungen hat das Deiner Meinung nach auf Mütter und ihre Kinder?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Erfolgreiches Stillen ist von sozialen und politischen Gegebenheiten abhängig. Grundsätzlich muss das Stillen in der Öffentlichkeit wieder mehr verankert und akzeptiert werden. Stillende Frauen haben berufliche Nachteile, wir haben keine Lobby und die Formula-Industrie ist mächtig und beeinflusst uns unauffällig. Bereits auf dem Mutterpass erscheint das Logo eines führenden Milchpulver-Konzerns – das zieht sich durch die gesamte Schwangerschaft. Die Leistungen einer Stillberaterin werden leider noch nicht von den Krankenkassen übernommen. Aber auf Nachfrage erhalten manche Frauen tatsächlich einen kleinen Bonus. Die WHO empfiehlt, Stillen mindestens 6 Monate ausschließlich und bis zum 2. Lebensjahr. Die gesundheitlichen Vorteile des Stillens liegen für Mutter und Kind weit vorn, deshalb wäre es wünschenswert, dass Frauen erfolgreich stillen können. Oft gelingt dies nur mit professioneller Unterstützung.
Grasbrunn Aktuell:
Wie hat sich die Nachfrage nach Deinen Dienstleistungen in den letzten Jahren verändert?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Es kommt langsam das Bewusstsein an, dass ein Stillvorbereitungskurs sinnvoll ist. Neben der Geburtsvorbereitung oder Säuglingspflegekurs nehmen viele Frauen das Angebot an, sich aus erster Hand zum Thema Stillen zu informieren.
Ich habe als Stillberaterin auch die Aufgabe, mich um alle Themen rund ums Neugeborene zu kümmern, das wird gerne angenommen. Ich bringe die notwendige Zeit mit zum Hausbesuch. Die Hebamme ist ja leider gezwungen, auf die Uhr zu schauen.
Grasbrunn Aktuell:
Was sind Deine persönlichen Wünsche und Ziele für die Zukunft der Stillberatung in der Gemeinde Grasbrunn?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Ich wünsche mir, ein Teil eines großen Netzwerkes für Frauen und Mütter hier in der Gemeinde Grasbrunn zu sein. Grasbrunn ist für immer mehr Familien ein attraktiver Wohnort, da braucht es einfach eine familiäre Infrastruktur mit tollen Angeboten für Frauen in den verschiedensten Lebenssituationen. In meinem Frauenpower-Kurs findest man tolle Frauen, die mit dem Thema Baby nichts zu tun haben und trotzdem Gemeinsamkeit haben.
Ich habe bisher soviel Unterstützung erfahren, Aus der Gemeinde, der Bücherei, dem Kulturcafe und den lächelnden Frauen, denen ich natürlich immer auf den Straßen begegne.
Ich möchte in Zukunft noch mehr auf die Bedürfnisse der Frauen eingehen und Angebote schaffen. Wer ein Anliegen hat, darf gerne auf mich zukommen.
Grasbrunn Aktuell:
Gibt es eine besondere Erfolgsgeschichte, die Du gerne teilen würdest?
Heidi Anetzberger-Wiesner:
Es sind nicht immer die großen Dramen, die mir in Erinnerung bleiben.
Wenn ich einer Frau sage, dass sie natürlich den Schnuller einsetzen kann, ohne das Stillen zu gefährden, dann ist das für mich schon ein großer Erfolg, weil ich sie beruhigt habe und ihr nicht mit dem Zeigefinger gekommen bin.
Grasbrunn Aktuell:
Vielen Dank für Deine Zeit, Heidi.
Wer sich für die Kurse von Heidi Anetzberger-Wiesner interessiert, findet alle Termine und Informationen auf ihrer Webseite.
Alle Termine für die „Milchkaffeerunde – Der Still- und Kleinkind-Treff im KulturCafé“ finden Sie im unserem Veranstaltungskalender.
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