Die Staatsregierung macht mobil: Olympische Sommerspiele in München – vielleicht 2040, spätestens 2044. Sicher eine Idee mit Vision. Aber auch mit Risiken, die nicht wegzuwischen sind. Hinter der Fassade aus Nachhaltigkeit, Bürgerbeteiligung und Mobilitätsschub steckt ein Konzept, das grundsätzliche Fragen zur demokratischen Mitbestimmung, finanziellen Prioritätensetzung und ökologischen Glaubwürdigkeit aufwirft.
Das Herzstück der Bewerbung ist ein neues Olympisches Dorf in Daglfing – ein Stadtteil, der bislang vor allem durch Pferdesport bekannt ist. Hier sollen Wohnraum für 30.000 Menschen, Schulen, Kindergärten und Infrastruktur entstehen – angeblich „sowieso notwendig“. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Das Konzept rechtfertigt langfristige Stadtentwicklungsprojekte mit einem zweiwöchigen Sportereignis. Wo sonst planerische Gründlichkeit geboten ist, soll Olympia als Beschleuniger herhalten. Diese Erzählung gab es schon 1972 – und auch damals stiegen die Baukosten drastisch.
Sehen Sie dazu auch den Betrag des Bayerischen Rundfunk „BR24Zeitreise: Olympia72 – Architektur und ihre Kosten„.

Offiziell soll die Bewerbung selbst rund sechs bis sieben Millionen Euro kosten – ein Schnäppchen, so die Politiker. Aber was ist mit den tatsächlichen Ausgaben für Umbauten, Verkehrsanbindungen, temporäre Sportstätten, Sicherheit? Schon jetzt ist von Milliardenbeträgen die Rede, auch wenn sich Stadt und Freistaat bemühen, die Investitionen als Teil bestehender Infrastrukturmaßnahmen zu framen. Doch wie viel davon wäre ohne Olympia tatsächlich in dieser Form beschlossen worden?
Olympia ist kein Mitmachfest, sondern ein Deal mit dem Internationalen Olympischen Komitee. Dieses stellt Knebelverträge, beansprucht Steuerfreiheit, Mitspracherechte und Kontrolle über Einnahmen – bei minimalem Risiko. Kritik an Korruption und Intransparenz begleitet das IOC seit Jahren. Wollen wir wirklich Millionen investieren, um einem schwer reformierbaren Machtapparat ein Fest auszurichten, das uns am Ende möglicherweise mehr kostet, als es nutzt?
Positiv ist: Es soll einen Bürgerentscheid geben. Doch reicht das aus? 2013 wurde eine Bewerbung um die Winterspiele klar abgelehnt – nicht nur in München, sondern auch in Garmisch, Berchtesgaden und Traunstein. Die Gründe damals: zu hohe Kosten, Umweltbedenken, zu viel Einfluss des IOC. Hat sich daran wirklich etwas geändert? Oder ist der Entscheid diesmal nur ein Feigenblatt für ein Projekt, das längst beschlossen ist?
Die Bewerbung wird als Turbo für Wohnungsbau, Ehrenamt und Stadtentwicklung beworben. Doch wer glaubt ernsthaft, dass der S-Bahn-Ringschluss oder die Linie U9 schneller kommen, nur weil Olympia ruft? Diese Projekte hängen seit Jahren in der Warteschleife – nicht an fehlender Motivation, sondern an realen Problemen wie Planungskapazitäten, Finanzierung und Genehmigungen.
Was bedeutet das alles für die Gemeinden im Münchner Umland? Zunehmender Verkehr, steigende Lebenshaltungskosten, mehr Nachfrage nach Wohnraum – aber kaum Mitspracherecht. Die Lasten tragen die Regionen, die Profite kassieren andere. Eine echte regionale Einbindung, transparente Kostenteilung und klare Gegenleistungen für betroffene Kommunen fehlen im Konzept.
Die Olympiabewerbung ist kein Stadtfest, sondern ein gigantisches Politikum. Wer für „positive Vibes“ Millionen ausgibt, muss sich fragen lassen, ob dieses Geld nicht an anderer Stelle dringender gebraucht wird – zum Beispiel im sozialen Wohnungsbau ohne IOC-Label, in der Bildung oder für echten Klimaschutz. Der Bürgerentscheid im Oktober ist kein PR-Termin, sondern die letzte Chance, das Projekt kritisch zu hinterfragen. Ob München Olympia braucht – oder Olympia München – das ist die Frage, die wir uns alle stellen sollten.
Der Bürgerentscheid zur Olympiabewerbung findet am 26. Oktober 2025 statt. Alle Bürgerinnen und Bürger Münchens sind zur Teilnahme aufgerufen. Wer betroffen ist, sollte sich informieren – und mitentscheiden.
Den Bericht aus der Kabinettssitzung können Sie hier als PDF nachlesen.
Die Pressekonferenz zur Olympiabewerbung können Sie auf YouTube ansehen.
Beitragsfoto: Bayerische Staatsregierung
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