Teure Software, sinkende Moral – Landrat Niedergesäß in der Kritik

Das Landratsamt Ebersberg hat 1,4 Millionen Euro Steuergelder für ein Softwaretool ausgegeben, ohne den Kreistag zu informieren.
Teure Software, sinkende Moral – Landrat Niedergesäß in der Kritik

Im Landratsamt Ebersberg hängt die Stimmung im Keller – und Landrat Robert Niedergesäß (CSU) steht im Zentrum der Kritik. Für den früheren Bürgermeister von Vaterstetten ist es nicht das erste Mal, dass Fragen zu seinem Führungsstil und Umgang mit öffentlichen Geldern laut werden.

2016/2017 startete das Landratsamt unter seiner Leitung einen internen „Transformationsprozess“. Im Mittelpunkt: ein EDV-Tool mit dem Namen „skills development platform“ (sdp), geliefert vom Baldhamer Anbieter Skills Development Solutions. Die Plattform sollte die Kompetenzen der Mitarbeitenden fördern, mit Online-Coachings und Persönlichkeitsseminaren. Die Kosten summierten sich auf rund 1,6 Millionen Euro – 1,4 Millionen davon allein für Lizenzen. Das Problem: Der Kreistag wusste von alldem nichts.

Wie sich inzwischen zeigt, wurde die Anschaffung des Tools in sieben Tranchen à 200.000 Euro abgewickelt – damit wurde die interne Budgetgrenze von 75.000 Euro um ein Vielfaches überschritten, ohne dass der Kreistag eingebunden wurde. Niedergesäß räumt diesen Fehler auch ein. Man habe in der Verwaltung schlicht das „Bewusstsein“ dafür nicht gehabt.

Die Grünen sprechen von einem klaren Verstoß gegen die Geschäftsordnung. Kreisrat Benedikt Mayer fragt offen, ob unter diesen Umständen die Entlastung der Verwaltung überhaupt noch Bestand haben kann. Eine rechtliche Prüfung steht noch aus.

Noch gravierender: Das Tool selbst wurde von der Belegschaft kaum genutzt. Laut interner Informationen liegt die Nutzungsquote unter fünf Prozent. Eine 2023 durchgeführte Mitarbeiterbefragung brachte ein ernüchterndes Ergebnis – selbst der Landrat sprach im einem Artikel des Münchner Merkur davon, dass das Tool „nicht der Burner“ sei. Inzwischen wurden die Mittel für das Projekt reduziert.

Aus dem Landratsamt heißt es hinter vorgehaltener Hand, die Plattform sei ein „Schmarrn“, viele fühlten sich von der Maßnahme eher übergangen als gefördert. Auch sei die Stimmung in der Verwaltung „geladen“. Der Frust wächst – und das spiegelt sich im Personal.

Die Liste der Weggänge ist lang: Die Leiter des Jugendamts, des Personalamts, der Klimaschutzmanager, der Büroleiter, der ÖPNV-Beauftragte – sie alle haben das Amt verlassen oder stehen kurz davor. Der Personalratsvorstand trat im Sommer 2024 geschlossen zurück. Offiziell wird selten Kritik geäußert, doch intern ist von Druck, hoher Belastung und fehlender Unterstützung die Rede. „Es gehen die, die den Laden zusammenhalten“, bringt es ein Insider auf den Punkt.

Wer die Kommunalpolitik in der Region länger verfolgt, dem kommen solche Schlagzeilen bekannt vor. Schon als Bürgermeister der Gemeinde Vaterstetten fiel Robert Niedergesäß mit umstrittenen Personalentscheidungen und kostspieligen Prestigeprojekten auf. Kritiker warfen ihm damals mangelnde Transparenz und wenig Fingerspitzengefühl im Umgang mit Steuermitteln vor – etwa beim millionenteuren Umbau des Rathauses oder bei der Einführung externer Berater ohne Ratsbeschluss.
Während seiner Zeit als Bürgermeister in Vaterstetten setzte Niedergesäß außerdem vor allem auf den Zuzug durch Neubaugebiete, ohne gleichzeitig neues Gewerbe anzusiedeln oder die Infrastruktur spürbar zu verbessern. Die Folge: steigende Ausgaben, aber keine zusätzlichen Einnahmen. Seinen Nachfolgern Georg Reitsberger (Freie Wähler) und Leonhard Spitzauer (CSU) hinterließ er eine finanziell angeschlagene Gemeinde. Die hohe Verschuldung aus dieser Zeit wirkt bis heute nach und belastet die Gemeindefinanzen spürbar.

Die jetzige Situation im Landratsamt erinnert an diese Muster: hohe Ausgaben ohne klare Wirkung, Umgehung demokratischer Gremien, Unzufriedenheit auf Arbeitsebene. Nur sind die Summen und Folgen inzwischen größer.

Die Lage ist angespannt. Finanzen knapp, Vertrauen erschüttert, Personal flüchtet. Der „Transformationsprozess“, der als Aufbruch gedacht war, ist zum Krisenfall geworden. Und Landrat Niedergesäß steht im Zentrum – mit einer Frage, die viele beschäftigt: Wie lange geht das noch gut?

Quellen:
Merkur-Artikel vom 21.05.2009 „Niedergesäß weist Schwarzbau-Kritik zurück
SZ-Artikel vom 7.05.2011 „Anonymes Schreiben an den Bürgermeister“
SZ-Artikel vom 13.11.2024 „Ebersberger Landkreis-Haushalt:„Die Situation ist beschissen

SZ-Artikel vom 11.03.2025 „Lehrgeld für Schulungssoftware“
Merkur-Artikel vom 12.03.2025 „
Landrat verbrennt 1,4 Millionen Euro

Beitragsfoto: Landratsamt Ebersberg

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